Die Finanzierung der öffentlichen Investitionen
von Dr. Klaus Ritgen, Deutscher Landkreistag
alle Fotos: © Stein-Gesellschaft/Frederic Schweizer
Die Hauptstadtgespräche der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft haben sich wiederholt mit der Finanzverteilung im Bundesstaat befasst. Besonders hinzuweisen ist insoweit bspw. auf das 9. Hauptstadtgespräch vom 19.5.2016 („Zukunftsgerechte Finanzarchitektur in Deutschland – Was ist angesichts neuer Herausforderungen zu tun?“) oder auf das 7. Hauptstadtgespräch vom 24.3.2014 unter dem Titel „Bund, Länder und Kommunen - für einen neuen Finanzausgleich“. In dieser Schwerpunktsetzung kommt auch die Ausrichtung der Gesellschaft zum Ausdruck. Deren wesentlichstes Anliegen ist die Förderung des Föderalismus und einer starken kommunalen Selbstverwaltung. Dafür sind wenige Fragen so relevant wie die Ordnung der Finanzen. Auch die elfte Auflage dieser Gesprächsrunde, zu der der Präsident der Gesellschaft, Hoppenstedt, am 28.3.2017 wieder zahlreiche Gäste in den Räumen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) in Berlin begrüßen konnte, berührte diesen Themenbereich. „Geld für öffentliche Investitionen – woher soll es kommen?“ So lautete der Titel der Diskussionsrunde, zu der sich der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Beckmeyer, der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Rehberg, sowie der Beauftragte des baden-württembergischen Finanzministeriums in Berlin, Schäfer, auf dem Podium versammelten - Letzterer in Vertretung des kurzfristig verhinderten Bevollmächtigten seines Landes, Staatssekretär Ratzmann. Die Moderation lag bei dem Geschäftsführenden Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistags und Vizepräsidenten der Stein-Gesellschaft, Henneke. Begrüßt wurden die Gäste vom Präsidenten des DSGV, Fahrenschon; die thematische Einführung hatte der Direktor der Kommunal- und Privatkundenbank der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Kalischer, übernommen.
Das 11. Hauptstadtgespräch bot auch eine gute Gelegenheit, einen Stabwechsel anzuzeigen, der sich bei der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft in den letzten Monaten vollzogen hat. Das Geschäftsführende Präsidiumsmitglied, Walter, der dieses Amt seit dem 1.1.2010 ausgeübt hatte, ist ausgeschieden. Zu seinem Nachfolger hat die Mitgliederversammlung der Stein-Gesellschaft in ihrer Sitzung vom 20.10.2016 den Ersten Landesrat und Kämmerer des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Lunemann bestellt. Hoppenstedt dankte Walter für sein langjähriges Engagement und wünschte seinem Nachfolger viel Erfolg. Er verband diese guten Wünsche mit einem Dank an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe, der die Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft seit jeher in der Führung der Geschäfte unterstütze.
Verfassungspolitische Ausgangslage
Georg Fahrenschon, Präsident Deutscher Sparkassen- und Giroverband
Geführt wurde die Diskussion vor dem Hintergrund einer angekündigten Föderalismusreform, die sich nicht zuletzt das Ziel gesetzt hat, die Investitionsbedingungen zu verbessern. Diesem Ziel dienen insbesondere die angekündigten Änderungen in Art. 90 GG, mit denen die Bundesautobahnen in bundesunmittelbare Verwaltung überführt werden sollen, wobei sich der Bund insoweit auch einer Gesellschaft des privaten Rechts bedienen können soll. Hinzuweisen ist ferner auf eine Neufassung der Finanzhilfekompetenzen des Bundes. Art. 104b GG gestattet es dem Bund schon heute, den Ländern – und über die Länder auch deren Kommunen – in drei näher bestimmten Fällen Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen zu gewähren. Das ist nach Art. 104b Abs. 1 GG möglich zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums. Der Vorschlag für eine Verfassungsänderung sieht in Art. 104b Abs. 2 und 3 GG vor, dem Bund Einflussmöglichkeiten auf die Verwendung dieser Finanzhilfen durch die Länder zu eröffnen und seine diesbezüglichen Informationsrechte zu stärken. Während Art. 104b GG Finanzhilfen des Bundes auch in den drei genannten Fällen nur auf Feldern gestattet, in denen er über Gesetzgebungskompetenzen verfügt, geht die letzte der im vorliegenden Zusammenhang relevanten angekündigten Grundgesetzänderungen noch einen Schritt weiter: Ein Art. 104c GG soll die verfassungsrechtliche Grundlage für die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes für bedeutsame Investitionen finanzschwacher Kommunen im Bereich der Bildungsinfrastruktur schaffen. Für das weite Feld der „Bildung“ besitzt der Bund keinerlei Gesetzgebungszuständigkeit; vielmehr handelt es sich insoweit um eine der wichtigsten Materien, für die ausschließlich die Länder gesetzgebungs-, ausführungs- und damit auch gestaltungsbefugt sind. Es liegt mithin auf der Hand, dass insbesondere Art. 104c GG eine erhebliche Sprengkraft für das Gefüge des Föderalismus hat und dementsprechend zu den umstrittensten Elementen der angekündigten Föderalismusreform gehört. Dies zeigte sich auch im Verlaufe des Hauptstadtstadtgesprächs.
Investitionsstau in Deutschland
Dietrich H. Hoppenstedt, Präsident der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft
Dass es auf allen staatlichen Ebenen in Deutschland einen sog. „Investitionsstau“ gibt, steht außer Frage. Dies war auch bereits Thema der Arbeiten der sog. Fratzscher-Kommission, deren Bericht – wie Henneke bemerkte - zu den Gründen zählte, warum die Stein-Gesellschaft das Thema überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Speziell bezogen auf den Verkehrssektor liegen ferner die Abschlussberichte der Daehre- bzw. der Bodewig-Kommissionen vor, die ebenfalls ein ernüchterndes Bild vom Zustand der Infrastrukturen zeichnen und zahlreiche Vorschläge enthalten, wie dem abgeholfen werden kann. Für die kommunale Ebene stellte Kalischer in seinem Vortrag die aktuelle Lage dar. Er verwies insoweit auf einen Investitionsrückstand in Höhe von 136 Mrd. Euro und identifizierte besondere Bedarfe im Bereich der Verkehrs- sowie der Bildungsinfrastrukturen. Hier beliefen sich die Fehlbeträge auf jeweils 35 Mrd. Euro. Zuletzt habe sich die kommunale Investitionstätigkeit zwar wieder etwas belebt, und zwar auf 17,7 Mrd. Euro in den ersten drei Quartalen des Jahres 2016. Dies ändere aber nichts daran, dass die investiven Ausgaben der Kommunen seit den 1990er Jahren rückläufig seien. Habe deren Anteil an den kommunalen Gesamtausgaben seinerzeit noch bei 20 Prozent gelegen, werde heute nur noch ein Niveau von 10 Prozent erreicht. Dieser Investitionsrückstand gehe vor allem auf die Zurückhaltung der finanzschwachen Kommunen zurück, zumal gerade diese auch von den im Übrigen guten konjunkturellen Rahmenbedingungen nur sehr eingeschränkt profitieren könnten. Sorge bereite dabei vor allem, dass auf diese Weise die nicht zu verkennenden regionalen Disparitäten bestehen blieben und sogar weiter ausgebaut werden könnten. Diese Unterschiede sind in der Tat groß, wie auch Henneke deutlich machte, der darauf hinwies, dass die Kommunen in Baden-Württemberg und Bayern durchschnittlich etwa 500 Euro pro Einwohner und Jahr investieren würden, während der entsprechende Wert sich in Norddeutschland nur auf etwa 100 Euro belaufe. Auch Beckmeyer sprach dieses Gefälle in der kommunalen Leistungsfähigkeit an.
Nicht viel besser als auf der kommunalen sieht es auf der Ebene des Bundes aus. Beck- meyer und Rehberg bezogen sich insoweit vor allem auf den Bereich der Verkehrsinfrastrukturen. So weise der Bundesverkehrswegeplan für die nächsten Jahre einen hohen, dreistelligen Milliardenbetrag aus. Über 70 Prozent dieser Summe sollen für Ersatz- und Sanierungsmaßnahmen ausgegeben werden. Einen erheblichen Investitionsbedarf identifizierten beide Bundespolitiker auch mit Blick auf den Breitbandausbau und die Digitalisierung.
Wo liegen die Ursachen?
Angesichts dieses eher düsteren Bildes liegt die Frage nach den Ursachen nahe. Wie konnte es geschehen, dass offenbar über Jahrzehnte hinweg und auf allen drei staatlichen Ebenen zu wenig investiert wurde?
Die fehlende Verfügbarkeit ausreichender Finanzmittel spielt dabei - so wird man die Ergebnisse der Diskussion zusammenfassen können - offenbar eine kleinere Rolle, als gemeinhin angenommen wird. Tatsächlich ist die Lage der staatlichen Haushalte derzeit und aufs Ganze betrachtet ausgesprochen gut. Kalischer erinnerte insoweit daran, dass die letzte Steuerschätzung Steuermehreinnahmen von insgesamt 100 Mrd. vorhergesagt hat, wobei 46 Mrd. auf den Bund, 40 Mrd. auf die Länder und 16 Mrd. auf die Kommunen entfallen würden. Rehberg machte deutlich, dass 15 der 16 Länder zuletzt einen Haushaltsüberschuss erzielt hätten. Und für die Kommunen war erst am Tag vor der Diskussionsrunde bekannt geworden, dass ihre Einnahmen nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes die Ausgaben in 2016 um 5,4 Mrd. Euro überschritten hatten. Jedenfalls aktuell steht also - bezogen auf den staatlichen Gesamthaushalt - ausreichend Geld für Investitionen zur Verfügung, weshalb auch die sog. Schuldenbremse keine Investitionsbremse darstelle, wie Kalischer pointiert bemerkte. Henneke erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die Aufnahme von Krediten zu investiven Zwecken in der Vergangenheit in besonderer Weise privilegiert war. Für den Bund gilt dies zwar seit Inkrafttreten der Schuldenbremse zum Jahreswechsel 2015/2016 nicht mehr; in den meisten Bundesländern sei dies aber noch bis Ende 2019 geltendes Recht. Auch in Zeiten geringerer Steuereinnahmen habe es daher die Möglichkeit zu Investitionen gegeben.
Detlev W. Kalischer, Direktor KfW
Eine erste Antwort auf die damit nochmals besonders akzentuiert aufgeworfene Frage nach den Ursachen des Investitionsstaus klingt an, wenn man sich vor Augen führt, dass es insbesondere auf kommunaler Ebene neben finanzstarken Städten, Landkreisen und Gemeinden auch eine große Zahl strukturschwacher Kommunen gibt. Deshalb ist eine Aussage wie diejenige, dass die Kommunen in ihrer Gesamtheit einen Überschuss von 5,4 Mrd. Euro erzielt haben, einerseits erfreulich; sie trägt andererseits aber auch dazu bei, die tatsächliche Lage zu verschleiern. In den strukturschwachen Kommunen droht, wie Kalischer betonte, damit die Gefahr einer Abwärtsspiral; gerade sie müssten wieder in die Lage versetzt werden, für die Zukunftsfähigkeit des Gemeinwesens vor Ort wichtige Investitionen tätigen zu können. Dies setzt neben punktuellen Finanzhilfen insbesondere eine verlässliche und auskömmliche Ausstattung aller Kommunen mit Eigenmitteln voraus. Wie dieses vordringliche Ziel erreicht werden kann sollte allerdings – wie Henneke ausdrücklich betonte - nicht Gegenstand der Diskussionsrunde sein.
Im Übrigen gilt: Auch wenn ausreichende finanzielle Mittel eine unverzichtbare Voraussetzung für staatliche Investitionen sind, wird die Investitionsfähigkeit des Bundes, der Länder und der Kommunen doch auch von einer Reihe anderer Faktoren maßgeblich beeinflusst. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt insoweit nach Einschätzung von Beckmeyer und Rehberg Quantität und Qualität des mit der Wahrnehmung der Aufgaben betrauten Personals. Insoweit war viel von fehlenden Planungskapazitäten die Rede, die infolge des Personalabbaus der letzten Jahre verloren gegangen seien und angesichts der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt auch nicht ohne Weiteres wieder aufgebaut werden könnten. Auch Kalischer hat diesen Punkt - bezogen auf die Kommunen - angesprochen, allerdings relativierend hinzugefügt, dass auch Städte, Landkreise und Gemeinden mit einem hohen Personalschlüssel nicht unbedingt mehr investierten. Es muss also noch weitere Ursachen geben. Rehberg verwies insoweit auf ein überkompliziertes Planungsrecht und auf hohe Standards, etwa im Naturschutzbereich, die eine rasche Abwicklung von Infrastrukturinvestitionen erschwerten. Es gebe derzeit im Bereich des Straßenbaus kein größeres Vorhaben, das über ein Baurecht verfüge. Das gelte bspw. auch für die Rheinbrücke in Leverkusen. Auch der Rechtsschutz spiele eine Rolle. So werde häufig über Jahre hinweg und bis hinauf zum EuGH über die Verwirklichung großer Infrastrukturvorhaben gestritten, was Investitionen in erheblicher Höhe hemme. Mit Blick auf die Bundesautobahnen beklagten Beckmeyer und Rehberg Defizite in der Aufgabenwahrnehmung seitens der Länder, die insoweit bislang im Wege der Bundesauftragsverwaltung tätig geworden sind. Hingewiesen wurde auf erhebliche Verzögerungen und auf unerklärliche Unterschiede in den Herstellungskosten je Autobahnkilometer.
Welche Lösungen gibt es?
Selbstverständlich wurde nicht nur über die Defizite bei Ausbau und Erhalt von Infrastrukturen gesprochen; vielmehr wurden auch Lösungswege aufgezeigt, wie der „Investitionsstau“ beseitigt werden kann.
Uwe Beckmeyer, MdB, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Was die Bundesautobahnen angeht, soll mit der angekündigten und bereits erwähnten Reform des Art. 90 GG der Durchbruch gelingen. Insoweit waren sich die beiden Bundespolitiker Beckmeyer und Rehberg naturgemäß einig. Aber auch Schäfer formulierte keinen Widerspruch, obwohl seinem Bundesland ausdrücklich attestiert worden war, dass es die ihm übertragenen Aufgaben gut bewältigt habe. Beckmeyer wie Rehberg äußerten die Hoffnung, dass die im Entwurf des Art. 90 GG vorgesehene Möglichkeit, die Aufgabe auch auf eine Gesellschaft des privaten Rechts übertragen zu können, zu deutlichen Effizienzgewinnen führen werde. Beide berichteten von positiven Erfahrungen, die gemacht wurden, wenn Private - z. B. in Form einer ÖPP - am Bau von Autobahnen beteiligt waren. Beckmeyer erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) oder die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG), legte aber auch Wert auf die Feststellung, dass die bislang bei den Straßenbauverwaltungen der Länder und Kommunen mit den Bundesautobahnen Befassten zu denselben Standards weiter tätig sein könnten. Auf ÖPP als eine alternative Finanzierungs- (und Beschaffungs-)methode war auch schon Kalischer eingegangen, verbunden mit dem Hinweis, dass gerade auf kommunaler Ebene - nicht zuletzt wegen der Kleinteiligkeit der Projekte und der Höhe der Transaktionskosten - die Erfahrungen mit diesem Instrument nicht die besten seien. Für die Kommunen teilte Rehberg diese eher kritische Sicht auf ÖPP. Beckmeyer dagegen äußerte die Auffassung, es bedürfe einer Bündelung und ausgewiesener Beratungsinstitutionen; dann könne ÖPP auch für kommunale Investitionen ein guter Weg sein. Keinen Beitrag zur Sanierung der Autobahnen wird nach Einschätzung von Schäfer die wenige Tage nach der Diskussionsrunde auch vom Bundesrat gebilligte Maut leisten. Rehberg dagegen verteidigte dieses Instrument, schien sich hinsichtlich der zu erwartenden Einnahmen allerdings auch nicht sicher zu sein, verwies er doch darauf, dass unabhängig von den Mauterlösen ausreichend viel Geld für den Autobahnbau zur Verfügung stehe.
Damit blieb die Frage, wie die nach Meinung der Diskutanten ja offenbar ausreichend vorhandenen finanziellen Mittel gezielt für Investitionen zur Verfügung gestellt werden können. Schäfer hatte insoweit von einer Änderung der baden-württembergischen Landeshaushaltsordnung berichtet, die nunmehr regle, dass Haushaltsüberschüsse für Investitionen genutzt werden müssten. Das entspricht – worauf Henneke hinwies - einem Vorschlag der Fratzscher-Kommission. Auf seine Nachfrage, ob man sich eine von der Kommission ebenfalls vorgeschlagene rechtliche Verpflichtung, Haushaltsmittel in einem bestimmten Umfang für Investitionen zur Verfügung zu stellen, vorstellen können, fiel die Reaktion eher verhalten aus. Lediglich Schäfer bekundete seine Sympathie für eine solche Regelung; Rehberg und Beckmeyer lehnten sie aber ab. Rehberg warnte vor einer zu starken Beschränkung der Flexibilität. Die Länder und der Bund müssten in der Lage sein, von Fall zu Fall zu entscheiden, wie sie mit ggf. erzielten Überschüssen umgehen und welchen Anteil ihrer Haushaltsmittel sie für Investitionen einsetzen wollten. Beckmeyer schlug vor, Überschüsse in Sondervermögen einzubringen, um auf diese Weise sicherzustellen, dass größere Infrastrukturvorhaben über eine langjährige, gesicherte Finanzierungsgrundlage verfügten.
Eckhardt Rehberg, MdB, Haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
Eine große Rolle spielte in der Diskussion auch die Frage, wie der Bund die Kommunen finanziell in die Lage versetzen kann, wieder mehr in Infrastrukturen zu investieren. Der Königsweg dazu ist - um es noch einmal zu betonen – ohne Zweifel eine aufgabengerechte und stabile Finanzausstattung, zumal auf diese Weise auch die Voraussetzungen geschaffen wären, das erforderliche Personal einzustellen, wie Henneke betonte. Da dieses Thema aber ausdrücklich nicht Gegenstand der Diskussion sein sollte, kam der Moderator auf Finanzhilfen des Bundes zu sprechen und erwähnte zunächst die Maßnahmen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur nach Art. 91a GG. Bei diesen handele es sich um prinzipiell zu begrüßende Hilfen zur Selbsthilfe. Sei dies nicht ein richtiger Ansatz, der stärker ausgebaut werden müsse? Rehberg allerdings relativierte die Bedeutung dieses Instruments. Er erinnerte daran, dass der Bund nicht für die Finanzausstattung der Kommunen zuständig sei, verwies aber - ebenso wie Beckmeyer - darauf, dass der Bund die Kommunen in den letzten Jahren in ganz erheblichem Umfang finanziell entlastet habe, zuletzt in Höhe von 5 Mrd. jährlich ab 2018, wobei allerdings 1 Mrd. über die Länder flößen. Gemessen an solchen Zahlen spiele die regionale Wirtschaftsförderung keine große Rolle. Beckmeyer betonte, wie wichtig es sei, die objektiv bestehenden Ungleichgewichte in Deutschland abzubauen; diese Disparitäten könnten aber nicht durch gezielte Finanzhilfen des Bundes beseitigt werden, sondern müssten im Rahmen des ab 2020 neu geregelten Finanzausgleichs einer Lösung zugeführt werden.
Damit erreicht die Diskussion ihren vielleicht kritischsten Punkt, die Frage nämlich, ob sich eine Regelung wie Art. 104c GG, die dem Bund fern von jeder Sachkompetenz eine Finanzierungskompetenz im Bildungsbereich einräumt und daher von Henneke provokativ auch als Surrogat des Finanzausgleichs bezeichnet wurde, rechtfertigen lasse. Schäfer stellte klar, dass die Regelung nach seinem Dafürhalten den Grundprinzipien des Föderalismus zuwiderlaufe, wenngleich das Problem, dass einige Länder ihrer Verantwortung für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Bildungsinfrastrukturen nicht ausreichend gerecht würden, gelöst werden müsste. Auch Rehberg teilte die grundsätzliche verfassungsrechtliche Kritik an der neuen Vorschrift; insbesondere der Begriff „finanzschwache Kommunen“ sei hoch problematisch; insoweit stehe er persönlich ganz an der Seite von Henneke und den anderen Kritikern. Henneke hatte insoweit deutlich gemacht, dass es finanzschwache Kommunen faktisch natürlich gebe, dass der Begriff verfassungsrechtlich angesichts der Verpflichtung der Länder, die Kommunen finanziell angemessen auszustatten, aber widersprüchlich und eine Einladung an die Länder sei, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Rehberg betonte allerdings auch, dass der Bund nach seiner Auffassung kaum eine andere Möglichkeit habe, wenn er erreichen wolle, dass sich auf kommunaler Ebene etwas tue. Sobald Mittel ungebunden über die Länder an die Kommunen weitergereicht würden, zeige sich der Effekt der „klebrigen Finger“. Den Ländern würde es also immer wieder gelingen, die vom Bund zur Verfügung gestellten Gelder für ihre eigenen Zwecke zu verwenden. Beckmeyer verteidigte die Regelung ebenfalls und verwies insoweit auf die gesamtgesellschaftliche Verantwortung, für alle Kinder eine Ausbildung sicherzustellen, um sie auf die Herausforderungen einer digitalisierten Welt vorzubereiten.
Damit war ganz am Ende der Diskussion auch noch der Bogen zu einem weiteren Feld geschlagen, auf dem staatliche Finanzhilfen nach allgemeiner Auffassung unverzichtbar sind: dem Breitbandausbau. Schäfer vermisste insoweit ein klares Bekenntnis des Bundes zum Ausbau von Glasfaserinfrastrukturen; vielfach - und gerade mit Blick auf den Anschluss der Schulen an das Netz - werde leider nur der „alte Kupferdraht aufgebohrt“. Rehberg dagegen machte deutlich, dass das Programm des Bundes auch die Förderung des Glasfaserausbaus zulasse. Auf welche Technologie gesetzt werde, liege in der Hand des Förderempfängers.
Eckhardt Rehberg, Dr. Sebastian Schäfer, Uwe Beckmeyer und Prof. Dr. Hans-Günter Henneke (v.l.n.r.)
Fazit
Als Fazit lässt sich festhalten, dass auch das 11. Hauptstadtgespräch der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft dem selbst gesteckten Ziel gerecht wurde, den verschiedenen Akteuren einen Austausch zu aktuellen Themen der Zeit zu bieten. Der Termin für diesen Austausch hätte angesichts der Tatsache, dass sich die Beratungen im Bundestag über die angekündigte Föderalismusreform in der Woche, in der auch das Hauptstadtgespräch stattfand, ihrem Höhepunkt näherten, nicht besser gewählt werden können. Die Diskussion hat fraglos dazu beigetragen, dass die jeweiligen Positionen der Beteiligten deutlicher geworden sind. Denn wichtig ist – wie Henneke bemerkte -, dass bei aller berechtigter Kritik am eingeschlagenen Weg am Ende ein für den Gesamtstaat tragbares Ergebnis erzielt wird. Zur Wahrheit gehöre, so dass Schlusswort des Moderators, aber auch, dass der föderale Staat starke Länder mit einem ausgeprägten Selbstvertrauen brauche. Daran fehle es im Moment vielfach. Der Stein-Gesellschaft, die sich die Stärkung des Föderalismus auf die Fahnen geschrieben hat, dürften die Themen also auch für weitere Hauptstadtgespräche nicht ausgehen.
Foto links: Dr. Georg Lunemann, Prof. Dr. Bernd Walter, Prof. Dr. Hannes Rehm, Dr. Michael Ermrich (v.l.n.r.)
Foto rechts: Prof. Dr. Günter Püttner (Mitte)
Programm
ab 18:30 Uhr | Eintreffen
19:00 Uhr | Begrüßung
Georg Fahrenschon Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes e.V.
Dr. Dietrich H. Hoppenstedt Präsident der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft e.V.
Einführung
Detlev W. Kalischer Direktor der KfW, Kommunal- und Privatkundenbank
Diskussion
Uwe Beckmeyer Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Senator a.D.,
MdB (SPD-Fraktion)
Eckhardt Rehberg Haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
Dr. Sebastian Schäfer Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund
Moderation
Prof. Dr. Hans-Günter Henneke Vizepräsident der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft e.V. und
Mitglied des Unabhängigen Beirats des Stabilitätsrats
anschließend Imbiss
Die Veranstaltung wurde im Hause und mit freundlicher Unterstützung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes durchgeführt.
Die Zusammenfassung finden Sie im pdf-Format zum Download hier:
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