Öffentlicher Abendvortrag
Peter Müller
Ministerpräsident des Saarlandes a.D.
Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D.
zusammengefasst von Dr. Klaus Ritgen, Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft e.V.
alle Fotos: © Stein-Gesellschaft/Meyer
Wehrhafte Demokratie und politischer Extremismus *
Ich freue mich, heute Abend bei Ihnen sein und mit Ihnen ein paar Gedanken zum Thema „wehrhafte Demokratie“ austauschen zu können. Ja, es stimmt: Die Demokratie ist unter Druck, nicht nur bei uns.
Das sehr inhaltsreiche und lebendig vorgetragene Referat von Peter Müller …
Die große Hoffnung, die Niederschlag gefunden hat in dem viel diskutierten Buch des amerikanischen Politologen Francis Fukuyama „Das Ende der Geschichte“, die Hoffnung, dass mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Implosion der Sowjetunion der Wettlauf der Systeme entschieden ist, dass Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gewonnen haben, dass der Siegeszug von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht aufzuhalten ist auf dieser Welt – diese Hoffnung hat getrogen. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn Sie sich in der Welt umschauen, dann befinden sich Freiheit und Demokratie im Krebsgang.
Das zeigen etwa die Untersuchungen des amerikanischen Instituts Freedom House, das jährlich einen Demokratieindex veröffentlicht. Danach war das Jahr 2023 das 18. Jahr in Folge, das weltweit durch einen Abbau demokratischer Rechte geprägt war. Nach der Zählung von Freedom House leben überdies nur noch etwa 20 Prozent der Menschen in freiheitlichen Systemen. Wir glauben oftmals, die Demokratie sei das weltweit dominierende Modell. Tatsächlich ist es aber nur eine Minderheit, die davon profitiert. Nur 20 Prozent der Weltbevölkerung, mehr nicht.
Und auch in den demokratischen Systemen gibt es Probleme, haben wir schwierige Entwicklungen, gibt es Erosionsprozesse. Wir erleben einen Siegeszug von Populisten und Autokraten, selbst im Bereich der Europäischen Union. Der ungarische Ministerpräsident etwa vertritt die These von einer illiberalen Demokratie. Illiberale Demokratie, das bedeutet, dass der „wahre“ Wille des Volkes durchgesetzt werden muss, „indem wir die Demokratie aus den Fesseln des Rechtsstaates befreien“. Das ist schon deshalb Unsinn, weil es den „wahren“ Willen des Volkes gar nicht gibt. Jürgen Habermas sagt zu Recht, das Volk trete immer im Plural auf, es sei immer ein Konglomerat unterschiedlicher Ideen, Vorstellungen, Interessen und Wünschen. Bereits deshalb ist die für Diktatoren und Autokraten typische Berufung auf den „wahren“ Willen des Volkes demokratiefeindlich.
Und wenn Sie sich in Europa weiter umschauen, nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir in Italien eine Regierungschefin haben, die einer Partei angehört, die nicht leugnet, dass ihre Wurzeln im italienischen Faschismus liegen. In den Niederlanden hat mit Geert Wilders ein Rechtsradikaler die letzten Wahlen gewonnen, vor wenigen Tagen in Österreich die FPÖ, die offensiv für Remigrationskonzepte wirbt. In Schweden ist die Regierung abhängig von den Schwedendemokraten, einer populistischen Organisation. Frankreich ist es nur durch eine Kraftanstrengung gelungen zu verhindern, dass das Rassemblement National nicht zur stärksten Kraft werden konnte. Und auch bei uns haben wir einen Siegeszug der Populisten. Auf die jüngsten Wahlergebnisse rechter Populisten hat Hans-Günter Henneke ein seinen einleitenden Worten hingewiesen. [1]
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die AfD nicht nur in den neuen Ländern Wahlergebnisse um die 30 Prozent erzielt hat, sondern mit 15 bzw. 18 Prozent auch bei den letzten Landtagswahlen in Bayern und Hessen bereits stark war. Zur Wahrheit gehört ferner, dass es mittlerweile auch eine linke populistische Gruppierung gibt, eine One-Woman-Show, wie wir sie in Deutschland bislang noch nicht kannten, die ebenfalls an den Wahlurnen reüssierte.
Und als ob das nicht genug wäre, gibt es weitere, die Demokratie bedrohende Entwicklungen. Das Thema heute bezieht auch den politischen Radikalismus ein und wir haben in Deutschland radikale Bewegungen, einen, zum Teil gewaltbereiten, politischen Extremismus. Der letzte Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz weist aus, dass dem Rechtsextremismus in Deutschland etwa 40.600 Personen zugerechnet werden müssen, 1.800 mehr als im Jahr zuvor. Diese werden verantwortlich gemacht für 25.660 Straftaten, 22 Prozent davon Gewaltdelikte. Dem Linksextremismus werden 39.000 Personen zugerechnet – ebenfalls mehr, als im Vorjahr –, die 4.248 Straftaten begangen haben, was einer Zunahme um 20 Prozent entspricht. Und ob es uns gefällt oder nicht: Wir haben auch ein Problem mit dem Islamismus in unserem Land. Es gibt 27.000 Islamisten, die mitverantwortlich sind für einen sprunghaften Anstieg antisemitischer und antiisraelischer Aktionen und Taten nach dem Attentat vom 7.10. 2023, an dessen Jahrestag wir uns in dieser Woche erinnern mussten. Es gibt mithin ein erhebliches und wachsendes Potenzial von Personen, die bereit sind, diese Demokratie auch durch die Begehung von Straftaten zu bekämpfen.
Und wir haben darüber hinaus weitere Erosionsprozesse, Prozesse der Delegitimierung des Staates, durch Reichsbürger oder Selbstverwalter, die Verschwörungstheorien verbreiten und zum Teil operettenhaft anmutende Putschpläne schmieden. Wir erleben eine Infragestellung des staatlichen Gewaltmonopols nach dem Motto: Der Zweck heiligt die Mittel. Wenn man sich für das richtige Ziel einsetzt, so heißt es, müsse man sich nicht an Recht und Gesetz halten. Auch die Diskussion über den zivilen Ungehorsam lebt wieder auf.
Ferner gibt es eine Zunahme an Übergriffen auf Repräsentanten und Einrichtungen des Staates, verbale und tätliche Angriffe auf Polizisten, auf Wahlkämpfer, auf Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.
Und schließlich: Das Vertrauen in die Demokratie sinkt. Gerade einmal 54 Prozent der Menschen glauben noch an sie, der Rest hat weniger oder kein Vertrauen in die Demokratie. Bei einer Umfrage des Beamtenbundes sagten 67 Prozent der Befragten, der Staat sei überfordert und nicht mehr in der Lage, seine Aufgaben zu erledigen. Nur 27 Prozent dagegen glaubten an die Leistungsfähigkeit des Staates.
Eine letzte Zahl, die mich in besonderer Weise betroffen gemacht hat: Auf die Frage, ob man in Deutschland eigentlich seine Meinung noch frei äußern könne, haben im Jahr 1990 noch etwa 80 Prozent mit „ja“ geantwortet. Mittlerweile verneint die Mehrheit diese Frage und sagt, es sei in Deutschland nicht mehr möglich, seine Meinung frei zu äußern. Dabei stellen wir sowohl ein West-Ost- wie ein Jung-Alt-Gefälle fest: Im Osten sind die Zahlen, die von einem Ende der Meinungsfreiheit ausgehen, noch höher und bei den Jungen ist das Misstrauen gegenüber der Demokratie besonders stark ausgeprägt: Bei den Wahlen in den neuen Ländern waren die Ergebnisse der AfD bei den Jungen überdurchschnittlich gut.
Kann die Demokratie diese Herausforderungen bestehen, ist die Demokratie hinreichend wehrhaft, um sich mit dieser Situation auseinandersetzen und erfolgreich in dieser Auseinandersetzung zu sein?
Wer die Frage nach der Wehrhaftigkeit der Demokratie stellt, muss sich zunächst einmal darüber klar werden, was mit diesem Begriff überhaupt gemeint ist. Bei den Debatten gibt es manchmal eine Verengung. Häufig wird unter wehrhafter Demokratie nur ein Dreiklang von verfassungsrechtlichen Instituten verstanden, nämlich das Parteiverbot (einschließlich des Finanzierungsausschlusses), die Grundrechtsverwirkung und das Vereinsverbot.
Ich glaube, das springt zu kurz. Wehrhafte Demokratie ist mehr. Wehrhafte Demokratie ist eben auch Durchsetzung des Rechtsstaates – das Zitat von eben ist daher kein zufälliges in diesem Zusammenhang.
Und wehrhafte Demokratie ist auch die Frage, in welchem Umfang die Demokraten bereit sind, sich für unsere freiheitliche Gesellschaft einzusetzen, inwieweit sie bereit sind, engagiert und solidarisch für Freiheit und Rechtsstaat zu kämpfen?
Zu allen drei Ebenen und Themen werde ich Ihnen im Folgenden in aller Offenheit meine Einschätzung präsentieren.
Lassen Sie mich mit den eingangs erwähnten, drei klassischen Instrumenten der wehrhaften Demokratie beginnen.
Derzeit beherrscht insbesondere die Frage, ob es sinnvoll ist, die AfD zu verbieten, die Debatte. Dazu soll jetzt ein parteiübergreifender Antrag in den Bundestag eingebracht werden, mit dem Ziel, ein solches Verfahren einzuleiten. Wie ist dieses Parteiverbot zu beurteilen?
Mit dem Grundgesetz ist den Parteien erstmals ein verfassungsrechtlicher Status zuerkannt und ist ihnen die Aufgabe zugewiesen worden, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Dass sie auch verboten werden können, ist or dem Hintergrund zu sehen, dass mit dem Grundgesetz ein bewusstes Gegenbild zum Nationalsozialismus errichtet werden sollte. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes – es gab viele Väter und nur wenige Mütter, die Zusammensetzung des parlamentarischen Rates wäre unter Gendergesichtspunkten heute völlig unvorstellbar, seinerzeit hat es niemanden gestört – haben gesagt: Wir haben aus der Geschichte gelernt und wollen schon auf der Ebene der Verfassung Institute vorsehen, die sicherstellen, dass sich so etwas wie der Nationalsozialismus nicht wiederholen kann.
Aber dieser Gedanke, dass es für die Feinde der Freiheit keine absolute Freiheit geben dürfe, dass die Parteien nicht das Recht haben sollten, die grundgesetzlichen Freiheiten dazu zu benutzen, die freiheitlich demokratische Grundordnung abzuschaffen, ist ein schwieriger Gedanke. Es ist die Idee der Sicherung der Freiheit durch die Abschaffung von Freiheit. Das BVerfG hat vor diesem Hintergrund immer betont, dass ein Parteiverbot nur als Ultima Ratio in Betracht kommt. Und deshalb sind die Anforderungen an ein solches Verfahren, was ich hier nur stichwortartig ansprechen möchte, sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materieller Hinsicht sehr hoch.
Zunächst: Es muss sich um ein staatsfreies Verfahren handeln. Eines der NPD-Verbotsverfahren ist daran gescheitert, dass in seinem Verlauf deutlich wurde, dass in den Vorständen der NPD viele sog. „Vertrauenspersonen“ des Verfassungsschutzes saßen. Ein seltsamer Begriff übrigens. Es handelt sich schließlich um Personen, die ihre eigene Partei denunzieren. Das sei hier dahingestellt. Jedenfalls ist dieses Verfahren an der fehlenden Staatsfreiheit gescheitert.
Neben solchen verfahrensrechtlichen Anforderungen gibt es auch hohe materielle Voraussetzungen. Wenn man schon den Schutz der Freiheit durch Abschaffung von Freiheit erreichen will, dann kommt das nur in Betracht, wenn die Partei wirklich auf die Abschaffung der Grundelemente zielt, die unsere Verfassung ausmachen. Das sind am Ende eigentlich nur drei Prinzipien: die Menschenwürde, die Demokratie und der Rechtsstaat. Die Partei muss in ihrer Gesamtheit aktiv gegen diese Elemente der Verfassung kämpfen. Ein Höcke alleine macht noch keine verfassungswidrige AfD. Es muss die Partei in ihrer Gesamtheit sein, und sie muss dabei gezielt und planmäßig vorgehen. Deshalb ist es nicht so ganz sicher, wie ein solches Verbotsverfahren endet.
Ich finde daher, es ist auch eine Frage der politischen Klugheit, ob man ein solches Parteiverbotsverfahren einleitet oder nicht, und meine, dabei gibt es drei Aspekte zu bedenken.
Erstens: Solche Verfahren dauern lange. Ich war selbst Berichterstatter in solchen Verfahren, die dauerten sechs Jahre. Während der gesamten Dauer dieser Verfahren kann die Partei für sich in Anspruch nehmen, Opfer zu sein und zum Märtyrer gemacht werden zu sollen. Märtyrer aber sind immer gefährlich.
Zweitens: Was passiert eigentlich, wenn das Verfahren scheitert? Dann ist das der Persilschein für die Zukunft.
Drittens: Das Denken in den Köpfen ändert sich ja nicht, wenn eine Partei verboten wird. Das, was die Aktivisten in der Partei denken, ändert sich nicht, und es verschwindet auch nicht dasjenige, was Menschen, die vielleicht gar nicht so nah bei der Partei sind, veranlasst, ihr ihre Stimme zu geben.
Deshalb ist meine feste Überzeugung: In der jetzigen Situation ein Verbotsverfahren einzuleiten, kann sich für die Demokratie mgw. eher als Nachteil, denn als Vorteil erweisen. Was sollen die Menschen denken, die der AfD ihre Stimme gegeben haben, wenn es heißt: Die Partei, die ihr gewählt habt, verbieten wir? Gewinnen wir diese damit für die Demokratie zurück? Ich glaube es nicht. Es besteht eher die Gefahr, dass wir sie dauerhaft verlieren. Und deshalb sehe ich es im Moment, ich sage es Ihnen offen, unabhängig von der unklaren rechtlichen Lage nicht als politisch klug an, ein Parteiverbotsverfahren einzuleiten.
Die Antragsteller des Gruppenantrags im Bundestag betonen, man müsse dem BVerfG die Gelegenheit geben, über diese Frage zu entscheiden. Antragsteller haben indes eine Verantwortung dafür, darüber nachzudenken, was ein Antrag auslöst. Und der Antrag, so glaube ich, wird uns nicht weiterhelfen. In dieser Situation ist das Parteiverbot nicht das Instrument, mit dem die wehrhafte Demokratie dauerhaft Erfolg haben kann.
Gleiches gilt für den Finanzierungsausschluss, das will ich im Einzelnen gar nicht ausführen. Die Rechtslage ist sehr parallel gelagert, auch wenn nur auf die Ziele abgestellt wird und es nicht so sehr auf die Tätigkeit ankommt – und die politischen Überlegungen sind ohnehin die gleichen.
Jetzt kann man natürlich sagen: Also gut, wenn wir in einer Situation sind, in der es klüger ist, die AfD nicht im Ganzen zu verbieten, sollte man wenigstens schauen, dass die führenden Protagonisten der AfD künftig in ihrem politischen Handeln eingeschränkt werden. Dafür gibt es das Institut der Grundrechtsverwirkung. Wer die demokratischen Freiheiten benutzt, um die Demokratie abzuschaffen, kann durch eine Entscheidung des BVerfG diese Freiheiten aberkannt bekommen. Ist denn nicht zumindest ein Verfahren, mit dem Ziel der Feststellung, dass Björn Höcke seine Grundrechte verwirkt hat, ein sinnvoller Akt wehrhafter Demokratie?
Auch da bin ich skeptisch. Warum? Es gab bisher in der Geschichte Deutschlands vier entsprechende Verfahren, alle vier sind gescheitert, obwohl sie sich teilweise gegen exponierte Rechtsradikale richteten. Darunter war der ehemalige Vizevorsitzende der SRP, einer Partei, die verboten worden ist. Trotzdem hat man nicht die Verwirkung seiner Grundrechte festgestellt. Das gilt auch für den Herausgeber der Deutschen Nationalzeitung. Das zeigt: Auch hier sind die Voraussetzungen sehr hoch.
Ein Zweites kommt hinzu, und zwar die Frage, was eigentlich die Folgen davon sind, wenn das BVerfG erklärt, jemand habe seine Grundrechte verwirkt. Gesichert ist, dass dem Betroffenen das aktive und passive Wahlrecht aberkannt werden kann und dass ihm seine öffentlichen Ämter entzogen werden können. Höcke würde also sein Landtagsmandat verlieren und könnte auch nicht mehr Ministerpräsident werden.
Aber nimmt ihm das seine politischen Wirkungsmöglichkeiten? Führt das dazu, dass er sein undemokratisches Gift nicht mehr weiter verspritzen kann?
Welche weiteren Rechtsfolgen mit der Grundrechtsverwirkung verbunden sind, ist völlig ungeklärt. Und wie man solche Rechtsfolgen vollstrecken kann, auch. Es ist offen, ob ein Äußerungs- oder Interviewverbot verhängt werden könnte. Und selbst, wenn dies möglich wäre: Wie sollte verhindert werden, dass er aus dem Hintergrund weiterhin die Strippen zieht.
Schließlich würde auch ein solches Verfahren einen Märtyrer produzieren, einen Märtyrer, der mgw. aus dieser Rolle heraus gefährlicher ist als aktuell. Auch die Grundrechtsverwirkung ist also vielleicht nicht der ideale Weg, um in der jetzigen Situation die wehrhafte Demokratie durchzusetzen.
Beim Vereinsverbot haben wir schon deshalb eine andere Ausgangslage, weil nicht das BVerfG entscheidet, sondern die Administration. Soweit es um bundesweit agierende Vereine geht, ist das Bundesministerium des Innern zuständig, anderenfalls die jeweiligen Landesinnenministerien. Ausreichend für ein Verbot ist, dass ein Verein entweder in seinen Handlungen die Strafgesetze verletzt oder dass er sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Völkerverständigung richtet.
Vereinsverbote gab es bereits eine ganze Menge in der Geschichte Deutschlands, 55 insgesamt auf Bundesebene, die verbunden waren mit dem Verbot von 109 Teil- oder Ersatzorganisationen, insbesondere im Bereich des Ausländerextremismus.
Ganz aktuell haben wir die Diskussion um das Verbot des Magazins Compact. Das Magazin hat sich dagegen gewehrt und jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutz gewonnen, weil natürlich auch bei einem Vereinsverbot Grundrechte nicht völlig bzw. nicht per se außer Kraft gesetzt werden und in die Abwägungen mit einbezogen werden müssen.
Trotzdem glaube ich, dass sich die Vereinsverbote bewährt haben. Es handelt sich um taugliche Mittel, um gegen extremistische Organisationen vorzugehen, um sicherzustellen, dass sie sich nicht gegen die freiheitlich demokratische Ordnung richten, und um zu ermöglichen, dass bspw. ein Verein, der für den Kalifat-Staat in Deutschland kämpft, seine Betätigungsmöglichkeiten verliert.
Insgesamt aber ist der Befund: Mit diesen klassischen Elementen der wehrhaften Demokratie – dem Parteiverbot, der Grundrechtsverwirkung und dem Vereinsverbot – werden wir den Kampf nicht gewinnen. Das reicht nicht, um die Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen.
Und deshalb gilt es, zwei weitere Ebenen in den Blick zu nehmen, die rechtliche wie die politische. In rechtlicher Hinsicht ist die Frage zu stellen, welche weiteren Instrumente existieren, um die Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen. Welche rechtsstaatlichen Gebote können ins Feld geführt und umgesetzt werden. Die politische Frage dagegen lautet: Wie ist es um das Engagement der Demokraten bestellt?
Zunächst zum Zusammenhang von Rechtsstaat und Demokratie. Insoweit muss man sich vergegenwärtigen: Demokratie und Rechtsstaat gibt es auf Dauer nur im Doppelpack. Beides gehört zusammen. Ohne den Rechtsstaat wird es dauerhaft keine Demokratie geben und ohne Demokratie geht der Rechtsstaat zum Teufel. Recht sichert Freiheit und Demokratie.
Auch deshalb ist das Konzept der illiberalen Demokratie so wahnsinnig. Befreiung der Demokratie aus den Fesseln des Rechtsstaats bedeutet am Ende den Tod der Demokratie – darum geht es denjenigen auch, die so über diese Dinge reden.
Damit aber Recht Freiheit sichern kann, braucht es funktionsfähiger staatlicher Organe, die der Verfassungsordnung und der Rechtsordnung zum Durchbruch verhelfen. Gibt es die?
Der Schutz der Verfassung ist in erster Linie Aufgabe der Verfassungsgerichte – also des BVerfG auf Bundes- und der Landesverfassungsgerichte auf Länderebene.
Dass die Verfassungsgerichtsbarkeit ein taugliches Element zum Schutz der Demokratie sein kann, haben wir vor wenigen Tagen in Thüringen erlebt, wo ein sturköpfiger Alterspräsident in der konstituierenden Sitzung des Landtags starrsinnig versucht hat, im Wege des Verfassungsbruchs einer rechtskräftig wegen Betrugs des Landtags vorbestraften Parteikollegin das Amt der Landtagspräsidentin zuzuschachern. Um dies zu verhindern, musste der Thüringer VerfGH eingeschaltet werden. Der hat festgestellt, dass ein Verfassungsbruch vorliegt und dass die Geschäftsordnungsautonomie des Parlamentes ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht ist. Ferner hat das Gericht klare Vorgaben gemacht, wie der Landtagspräsident zu wählen ist. Danach ist verfahren worden. Es sind ein Landtagspräsident und ein Vizepräsident gewählt worden, die das Vertrauen der Mehrheit der Mitglieder des Thüringer Landtags haben. Der Verfassungsbruch ist verhindert worden, die Demokratie hat sich als wehrhaft gezeigt.
Verfassungsgerichte sind also wesentliche Elemente einer wehrhaften Demokratie. Deshalb ist es kein Zufall, dass Autokraten, wenn sie denn einmal an die Macht gekommen sind, versuchen, sowohl die Verfassungsgerichte wie auch die Medien „gleichzuschalten“, um ihre autokratische Herrschaft zu sichern und ihre autokratischen Konzepte durchzusetzen.
Nur am Rande bemerkt: Autokraten – das können sie bis heute in Ungarn und bis vor einigen Monaten auch in Polen beobachten – kommen nicht selten durch Wahl an die Macht; das gilt es zur Kenntnis zu nehmen. Es gibt ein interessantes Buch von zwei amerikanischen Politologen, Levitsky und Ziblatt, mit dem Titel: „Wie Demokratien sterben“. Darin vertreten die Autoren die These, dass Demokratien heute nicht mehr im Kugelhagel der Putschisten sterben, sondern sie sterben an den Urnen.
Und deshalb ist es wichtig, dass es handlungsfähige, gegen derartige Zugriffe geschützte Verfassungsgerichte gibt. Wir haben ein solches. Das BVerfG ist eines der stärksten Verfassungsgerichte auf der Welt mit weitgehenden Zuständigkeiten. Mgw. gibt es weltweit kein zweites Verfassungsgericht mit derart umfassenden Kompetenzen, sicher jedenfalls nicht in Gestalt des amerikanischen Supreme Court.
Warum ist das so? Auch hier hat man versucht, aus der Geschichte zu lernen. Weil wir im Nationalsozialismus erlebt haben, dass in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommene Gesetze schlimmstes Unrecht beinhaltet haben – ich erinnere nur an die Nürnberger Rassengesetze –, haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes eine Institution geschaffen, die in einer solchen Situation sogar dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber in den Arm fallen kann, die darauf achtet, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Und deshalb hat man das BVerfG so stark gemacht, wie man es gemacht hat. Und wenn Sie sich die Geschichte unseres Landes anschauen, dann hat das BVerfG sich der ihm übertragenen Verantwortung durchaus in angemessener Weise gewachsen gezeigt. Das BVerfG genießt hohes Vertrauen in diesem Land, das zeigen Umfragen, in denen das Gericht – neben dem ADAC und dem DFB – immer an der Spitze steht. Fast ist man versucht zu sagen: Nie war das BVerfG so wertvoll wie heute.
Das BVerfG hat sicherlich mit seiner Entscheidungspraxis zu dem Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält, beigetragen. Und es hat dies getan als Hüter der Verfassung und nicht als Gestalter der Politik. Insoweit gibt es eine ewige Debatte mit der Politik – auch im Zusammenhang mit dem zitierten Urteil –, ob das Gericht nicht seine Entscheidungsbefugnis überschritten und Dinge in der Verfassung entdeckt habe, die dort gar nicht stünden. Dieser Konflikt ist strukturell angelegt, ändert aber nichts an der Tatsache, dass ein wichtiges Element wehrhafter Demokratie eine funktionierende Verfassungsgerichtsbarkeit ist, die die Verfassungsordnung durchsetzt.
Genauso, wie die Verfassungsordnung durchgesetzt werden muss, muss auch die Rechtsordnung durchgesetzt werden. Das ist Aufgabe der Exekutive und der Judikative. Demokratie als die Herrschaft der Freien und Gleichen braucht die Umsetzung des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz. Alle sind in gleicher Weise Recht und Gesetz unterworfen. Auch mit Blick auf das staatliche Gewaltmonopol ist es unverzichtbar, dass dem Rechnung getragen wird.
Deshalb darf es in der Demokratie keine rechtsfreien Räume geben. Die Vorstellung, wenn ich nur der richtigen Sache diene, dann brauche ich mich nicht an Recht und Gesetz zu halten, lässt sich mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbaren. Ziviler Ungehorsam, das bewusste Verletzen rechtlicher Regeln, ist nur dann ein nachvollziehbares Konzept, wenn man auch bereit ist, die damit verbundenen Konsequenzen zu tragen. Jemand wie Habermas hat das immer betont, und er hat sich damit nicht überall nur Freunde gemacht.
Damit die Gleichheit vor dem Gesetz durchgesetzt werden kann, brauchen wir einen handlungsfähigen Rechtsstaat, auch und gerade im Kampf gegen diejenigen, die bereit sind, im Wege der Begehung von Straftaten, im Wege der Begehung des Rechtsbruchs, die Demokratie zu bekämpfen und unter Druck zu setzen, also Terroristen und gewaltbereite Extremisten. Hier besteht Handlungsbedarf. Darüber müssen wir reden.
Wenn die Erfolge, die wir in Deutschland im Bereich der Terrorismusbekämpfung in den letzten Jahren hatten – etwa die Verhinderung von Anschlägen auf Weihnachtsmärkte – zu einem erheblichen Teil darauf zurückzuführen sind, dass befreundete Nachrichtendienste uns Informationen übermittelt haben, die wir mit unseren rechtlichen Instrumentarien gar nicht hätten ermitteln können, dann müssen wir über die Austarierung von Freiheit und Sicherheit sicherlich noch einmal nachdenken. Die Frage der Angemessenheit der Mittel ist nicht unabhängig von der Größe der Gefahr, die Freiheit und Demokratie droht.
Und wenn sich mittlerweile bei den deutschen Staatsanwaltschaften ein Bearbeitungsrückstand von über 900.000 Fällen aufgebaut hat, der in den letzten zwei Jahren um 20 Prozent gestiegen ist, dann führt auch das dazu, dass der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz in Gefahr gerät.
Eines der schwierigsten Interviews, das ich im letzten Jahr gelesen habe, war ein Interview der Chefermittlerin im Cum Ex-Verfahren, die gesagt hat, man habe den Eindruck, jedenfalls im Bereich der Wirtschaftskriminalität gehe es nach dem Motto, die Kleinen fängt man, die Großen lässt man laufen. Die Verteidigung unserer Demokratie setzt auch voraus, dass eine solche These in diesem Land keine Grundlage hat. Und deshalb ist meine feste Überzeugung: Wer die Wehrhaftigkeit der Demokratie einfordert, muss mit der Ertüchtigung des Rechtsstaates beginnen. Das ist auch eine der Aufgaben, vor denen wir gemeinsam stehen.
Und natürlich muss der Staat dann auch darauf achten, dass seine Organe nicht unterwandert werden. Das ist allerdings ein Punkt, an dem ich eher gelassen bin. Es gibt – zum großen Teil ohne sachlichen Hintergrund – bekanntlich eine aufgeregte Diskussion um Bürgermeister und Landräte, die der AfD angehören. Bürgermeister, Landräte sind Beamte auf Zeit. Und Beamte haben die Pflicht, allzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Wenn ein Bürgermeister das nicht beachtet, wenn er sein Amt missbraucht, um die freiheitlich demokratische Grundordnung zu untergraben, dann verliert er die Eignung für dieses Amt.
Diese besondere Eignung wird man aus zeitlichen Gründen, aus Gründen der Abläufe, selten schon vor der Wahl feststellen können. Aber nach der Wahl gibt es hinreichende disziplinarrechtliche Möglichkeiten, um mit diesem Phänomen umzugehen.
Zusammengefasst: Ich bin überzeugt, dass die konsequente Durchsetzung der rechtsstaatlichen Ordnung ein wesentlicher und ein erfolgversprechender Beitrag zur Verteidigung der Demokratie ist. Starker Rechtsstaat heißt, die Demokratie ist ein gutes Stück weiter wehrhaft.
Trotzdem, auch das wird nicht reichen. Rechtsstaatliche Prinzipien helfen nicht gegen diejenigen, die ihre verfassungsfeindlichen Ziele unter Beachtung der bestehenden Rechtsordnung verfolgen. Denen kommen sie mit der Durchsetzung des Rechtsstaates nicht bei. Und deshalb bleibt die wehrhafte Demokratie abhängig davon, in welchem Umfang wir bereit sind, die politische Auseinandersetzung mit den Feinden der Demokratie zu führen.
Das BVerfG hat in seinen Parteiverbotsurteilen immer darauf hingewiesen, dass das Grundgesetz davon ausgehe, dass nur die ständige geistige Auseinandersetzung der richtige Weg zur Bildung des Staatswillens sei. Das Grundgesetz vertraue auf die Kraft der Auseinandersetzung als wirksamste Waffe gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologie.
Deshalb gilt: Demokratie braucht Demokraten. Demokratie ist nur wehrhaft, wenn Demokratinnen und Demokraten bereit sind, mit offenem Visier den Feinden der Demokratie entgegenzutreten und ihre Sache zu verteidigen, und zwar in den Parlamenten und außerhalb von ihnen.
Auch außerparlamentarisch brauchen wir die permanente Auseinandersetzung. Es reicht nicht, punktuell die eine oder andere Demonstration durchzuführen. Das ist sehr honorig und sehr in Ordnung, wenn die Rahmenbedingungen und die Inhalte geklärt sind. Wir haben in Deutschland die Situation gesehen, dass nach dem seltsamen Treffen in Potsdam viele Menschen, dass Millionen von Menschen für Demokratie auf die Straße gegangen sind. Das ist eine gute Sache, ist aber allein nicht genügend. Wir brauchen die permanente Auseinandersetzung.
Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wir müssen doch keine Scheu vor dieser Auseinandersetzung haben. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass auch in den neuen Ländern die AfD zwar in vielen Kreistagen stärkste Partei ist, dort aber gerade keine Mehrheit hat. Und die Positionen, die diese Partei vertritt, sind in unserer Gesellschaft nicht mehrheitsfähig: Der Austritt aus der NATO, der Austritt aus der Europäischen Union, ein Verlassen des Euro, die Vorstellung einer ethnischen Volksgemeinschaft, die zwischen Volks- und Biodeutschen unterscheidet und die sagt, die Volksdeutschen gehören unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit eigentlich nicht zu Deutschland, der Nationalsozialismus als Vogelschiss in der deutschen Geschichte – das ist doch nicht die mehrheitliche Meinung dieses Volkes, deshalb müssen wir doch keine Angst haben, uns mit der AfD auseinanderzusetzen.
Wehrhafte Demokratie heißt Auseinandersetzung mit den Inhalten, die vertreten werden, statt Diskussionen über Brandmauern.
Und natürlich müssen dann auch die Repräsentationslücken geschlossen werden, die wir in Deutschland haben. Viele, die die AfD oder andere rechtspopulistische und extreme Parteien wählen, tun das, weil sie sich nicht mehr wiederfinden in dem, was die etablierten Parteien tun und sagen. Weil sie ihre Themen nicht mehr wiederfinden. Nicht jeder, der über Ausländerkriminalität reden will, ist ausländerfeindlich. Nicht jeder, der während Corona mit der einen oder andren Maßnahme Probleme hatte, ist ein Corona-Leugner.
Wehrhafte Demokratie ist Demokratie, die nicht tabuisiert, ist Demokratie, die Menschen, wenn sie bestimmte Themen ansprechen, nicht sofort in eine bestimmte Ecke – und sei es die rechte Ecke – steckt. Wehrhafte Demokratie greift auf, was die Menschen denken, auch dort, wo es weh tut, diskutiert diese Themen und beweist, dass sie in der Lage ist, diese Themen zu lösen.
Eine entscheidende Frage, die wir uns nach meinem Dafürhalten in der aktuellen Lage stellen müssen, lautet: Gelingt es den etablierten Parteien gemeinsam, Themen, die in der Vergangenheit zu einem erheblichen Teil diskreditiert und tabuisiert worden sind, wieder auf die Tagesordnung zu setzen und dafür Lösungen zu finden?
Wenn der Souverän, das Volk, sich im Handeln bestimmter Parteien nicht mehr wiederfindet, dürfen die Parteien sich nicht wundern, wenn Teile des Souveräns sich von ihnen abwenden. Da ist noch einiges zu tun, in unserem Land, wenn die Demokratie wehrhaft sein soll.
a) Zum Umgang mit Populisten in den Parlamenten
Das gilt auch mit Blick auf die parlamentarische Auseinandersetzung. Das ist eine wichtige Bühne für die Debatte, die wir zu führen haben.
Natürlich ist in den Parlamenten das Prinzip der Spiegelbildlichkeit zu beachten. Wenn eine Partei durch das Votum des Souveräns in einer bestimmten Stärke in ein Parlament eingezogen ist und dieses Parlament Untergremien wie Ausschüsse bildet, dann müssen sich die Stärkeverhältnisse, die das Parlament insgesamt aufweist, auch in diesen widerspiegeln.
Aber ansonsten gibt es keinerlei Veranlassung zur Koalition oder Kooperation mit populistischen Parteien. Das BVerfG hat ausdrücklich festgestellt, dass kein Abgeordneter im Rahmen seines freien Mandats gezwungen werden kann, eine Person zu wählen, die er nicht wählen möchte. Überall, wo Wahlposten zu vergeben sind, gilt die Freiheit des Mandats.
Ob es dann immer klug ist, bestimmte Kandidaten nicht zu wählen, ist eine andere, ist eine politische Frage, die sich etwa im Zusammenhang mit der immer wieder gescheiterten Wahl eines der AfD angehörenden Kandidaten für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten stellt.
Davon abgesehen bleibt es dabei: Es gibt keine Pflicht zur Zusammenarbeit, schon gar keine Pflicht, gemeinsame Anträge zu stellen, keine Pflicht, Koalitionen zu bilden, keine Pflicht, sich in irgendeiner Art und Weise zu solidarisieren. Wie das in der Praxis funktionieren kann, zeigt die Tatsache, dass in keinem der Kreistage in den neuen Ländern, in denen die AfD stärkste Kraft geworden ist, ein Kreistagsvorsitzender aus den Reihen dieser Partei gewählt wurde. [2] Auch an dieser Stelle beweist sich durch klare Abgrenzung und Auseinandersetzung die Wehrhaftigkeit der Demokratie.
Ich komme zum Ende und zum Fazit. Ich glaube, wir stehen vor einer großen Herausforderung, aber wir haben die Instrumente, um diese Herausforderung zu bewältigen. Es gibt keinen Grund zur Verzagtheit. Ich wundere mich, insbesondere wenn ich mit dem einem oder anderen Abgeordneten aus den neuen Ländern spreche, wie verzagt man da ist, wie sehr betont wird, dass der Kampf verloren und nichts mehr zu machen sei. Nichts ist verloren. Die Zukunft ist offen. Es liegt an uns, sie zu gestalten. Das schaffen wir aber nicht, wenn wir ängstlich sind.
Deshalb müssen wir uns dieser Herausforderung entschlossen und in dem Bewusstsein stellen, dass wir in der Mehrheit sind. Es liegt an uns, auf uns kommt es an, auf jeden von uns, auch auf jeden von Ihnen. Die Instrumente sind da, damit die Demokratie sich als wehrhaft erweist. Sie müssen aber mit Leben erfüllt werden, und zwar von uns allen gemeinsam. In diesem Sinne: Lassen Sie uns das Thema anpacken!
* Bei diesem Beitrag handelt es ich um die Dokumentation des öffentlichen Abendvortrags von Peter Müller anlässlich des diesjährigen Nassauer Dialogs der Freiherr-von-Stein-Gesellschaft vom 11.10.2024.
… stieß in der überfüllten Stadthalle von Nassau auf große Resonanz …
… und wurde anschließend mit dem Publikum ausführlich diskutiert.
Wehrhafte Demokratie und politischer Extremismus
Im Rahmen des 8. Nassauer Dialogs hat der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts, Peter Müller, Ministerpräsident a.D., über die Gefährdung der Demokratie durch extremistische Strömungen gesprochen. Der Ausgang der jüngten Kommunalwahlen und der Europawahl sowie die Prognosen für die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen zeigen, dass sich die Zustimmung der Wählerinnen und Wähler zu extremistischen Parteien deutlich erhöht hat.
Der 8. Nassauer Dialog bot Gelegenheit für einen Rückblick auf das "Superwahljahr" 2024, eine Einordnung seiner Ergebnisse und erste Antworten auf die drängende Frage, ob sich unsere demokratischen Strukturen auch angesichts einer solchen Belastungsprobe als resilient erweisen. Dafür schien kaum einer besser geeignet als Peter Müller, der als ehemaliger Ministerpräsident des Saarlandes und Richter des Bundesverfassungsgerichts bestens mit den Anforderungen gelebter Politik und den verfassungsrechtlichen Schutzmechanismen der "wehrhaften Demokratie" vertraut ist.
Dieser öffentliche Vortrag, zu dem die Bürgerinnen und Bürger von Nassau und Umgebung herzlich eingeladen waren, bot den Einstieg in die Diskussionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 8. Nassauer Dialogs – dem Förderprogramm für Nachwuchs-Führungskräfte der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft e.V. – an den beiden Folgetagen. 26 ausgewählte und hochqualifizierte Young Professionals aus dem gesamten Bundesgebiet, die sich für aktuelle politische Fragen begeistern und in ihrem Engagement gefördert werden, haben sich mit den Aspekten des richtigen Umgangs mit extremistischen Parteien in Parlamenten und kommunalen Vertretungskörperschaften, den verfassungsrechtlichen und praktischen Fragen des Parteienverbotsverfahrens, Extremismus im öffentlichen Dienst und dem Umgang der Medien mit dem Thema Extremismus intensiv beschäftigt.
Peter Müller
(Quelle: https://commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0 de)
Zur Person:
Peter Müller war nach seinem Jurastudium zunächst als Richter tätig. Im September 1989 wurde er zum Ministerpräsidenten des Saarlandes gewählt, ein Amt, das er bis zum August 2011 ausübte.
Von Dezember 2011 bis Dezember 2023 war Müller Richter des Bundesverfassungsgerichts und dort vor allem als Berichterstatter für die Themen Wahlen und Parteienrecht zuständig.
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